Wien am 28. September 1827.
Holde Theure Schwester!
Vor allem muß ich Dich vielmahl um Verzeihung bitten wegen meiner Nachlässigkeit, daß ich Deine so lieben schätzbaren Briefe von 11.te und 19te d. M. erst mit heutigen Posttag beantworte. Wie ich aus Deinen letzten Schreiben entnehmen konnte, so scheint es mir als ob Du an meiner Aufrichtigkeit zweifeln möchtest, nein so was bis[t] Du nicht im Stande von mir zu denken, den stäts habe ich selbige im väterlichen Hause zu Dir gehabt, und wie sollte es mir nun in der Fremde einfallen zurückhaltend gegen Dich zu werden. Nie gute Josephine soll das geschehen, Dein Valentin wird keine Geheimnisse zu Dir haben, stäts wirst Du an ihn einen gewieß ganz aufrichtigen Brudern finden.
Ich danke Dir für die Nachricht die Du mir von Graf300 gegeben hast, ich werde mich in die Zukunft vor selbigen zu hütten wissen, obwohl ich an ihn bis nun noch keine Ausgelassenheit und Ungezogenheiten bemerkt habe, indessen hat mich seine Lüge der 28 f halber hinlänglich verdrossen, um ihn nicht mehr schätzen zu können. Mit den Kaiser301 komme ich sehr selten zusammen, und diese Bekantschaft hört ohne dieß auf, da er in 14 Tagen wieder nach Laibach gehet. Indessen glaube Du ja nicht, liebe Schwester, daß ich diejenigen mit welchen ich einigemahl zusammen gekommen bin, schon gleich zu Freunden habe, Du solltest es ja wissen, wie behutsam ich diesfals bin. Ich fühle mich in meinen Grundsätzen stark genug um jeder Versuchung zu wiederstehen, und sollte es auch geschehen, daß ich jemahls unter böse Gesellschaft kommen sollte, so werde ich wissen anstatt üble, gute; Vortheile mir daraus zu ziehen; dem das Sprichtwort sagt, nichts ist so Böse, daß der Mensch nicht was Gutes daraus //2 lehrnen könnte. Habe also dieserwegen keine Besorgniß wegen meiner, jedoch bitte ich Dich alles Anstössige, was Du aus meinen Briefen an mir wirst bemerken, mir strenge und genau vorzuhalten, den alle Ermahnungen und Lehren von Dir guter Engel werden mir Befehle sein, die ich sodan bünktlich302 befolgen werde, den Du kannst Dir nicht vorstellen wie unaussprechlich ich Dich und Deinen werthen Gemahl schätze und liebe. –––––––––––––
Der Umgang des H. Terpinz wäre für mich sehr willkommen und angenehm, doch bedaure ich das ich dazu nicht leicht Gelegenheit habe, da er eine Stunde fast weit von meiner Wohnung in der Alstervorstadt303 logirt, und stark mit den Studien beschäftig ist, auch ist er der Lehrer eines
Knaben Institutes, es bleibt ihm daher sehr wenig übrige Zeit. Bei mir sind der freien Stunden auch sehr weinige ausser den Sontag, den von der Frühe ½ 8 Uhr bis ½ 8 Uhr Abends bin ich immer
im Gewölbe, des Abends gehe ich faßt nie aus, sondern studiere da gewöhnlich ein paar Stunden vor den Schlafen gehen Galletis304 allgemeine Weltkunde305 oder die italienische Gramer. Um 6 Uhr in der Frühe gehe ich alle Tage meistens in die Kirche, sodann in das Caffeehaus (das nicht 12 Schrit von unsern Haus entfernt ist) hier habe ich 10 Zeitungen zur Auswahl, ich nehme bald ein UnterhaltungsBlat bald ein politisches zu meiner Lektür, und verzehre wärend dem ganz gemählich
mein Fruhstück, von da aus gehe ich um ½ 8 Uhr ins Gewölb. An Sontagen wird Mess und Predigt gehört und in der Stadt herumspaziert, Nachmittags gehe ich entweder aufs Land oder in Prater spaziren und Abends ins Theater. Nun weißt Du meine ganze Lebensweise, die sich immer gleich bleiben wird, ich glaube daß ich selbige ziemlich gut eingetheilt habe, was meinst Du dazu?
Vergangenen Sontag war ich im StepfansThurm gewesen eben als man die große Glocke (das Quatembers halbes) geläutet hat, die zwölf Männer in Bewegung setzten. Ihr marmer starke Thon hatte mich faßt auf einige Augenblicke //3 taub gemacht. Von der Glocke aus ging ich noch über viele Stufen hinauf und auf die letzt über 3 Leitern bis auf den äußersten Punkt unter den Adler, wo ich beinahe eine Stunde blieb und mich an der prachtvollen Aussicht die sich meinen Augen darbot ergötzte. Wie sensuchtsvoll erwachte in mir da der Gedanke, meine lieben Ältern, Dich best Pepina und den Fidelius bei mir zu haben, damit wir vereint die herliche Schöpfung betrachtet hätten.
Am nähmlichen Tage war ich auch zum erstenmahl in der Burg Theater gewesen, wo die Jungfrau von Orleans gegeben wurde. Mit welcher Kunst und Pomp dieses Stück aufgeführt wurde, würde ich Dir vergebens suchen zu beschreiben. Alles wirkte dahin um es zur größten Vollkommenheit zu bringen, und es blieb dabei nichts zu wünschen übrig als etwas weniger Hitze, den diese war sehr groß, da das ganze Gebäude stark voll war. Ich war im 4te Stock gewesen und mußte diese Schwülle durch 5 ganze Stunden ertragen.
Was meinen Collega anbetrieft kann ich Dir weiters nichts sagen, als daß er mir ein ordentlicher Mensch scheint, und ich mit ihm recht gut auskomme. Er ist ein starker Tabakraucher und gehet mit seinen Freunden meistentheils Billiart spielen, ich bin jedoch noch nie mit ihm ausgegangen.
Du wünschest auch eine Beschreibung von der Fr. Lobmayr zu erhalten, die ich als eine brave, gute Frau schildern muß. Sie ist sehr tätig und wirtschaftlich fängt jetzt an fleisig im Gewölbe zu sein, doch scheint sie sonst wenig Bildung genossen zu haben, den in dieser Hinsicht fehlt es ihr an vielen, überhaubt spricht sie nur wenig. Sehr lobenswerth hingegen ist ihre Kochkunst. Ich glaube das es keiner Anempfelung bei ihr bedarf. Meine Wäscherin wascht mir vorzüglich schön die Wäsche bis nun ist noch nichts daran zerissen. Mich hat es sehr gefreut das Ihr eine Loge genommen habt, und wünsche das ihr eine gute Trug hätte, damit Du eine angenehmene Unterhaltung hättest. Die Geschichte mit dem Mayer, Zergoll und mir hat mich sehr lachen gemacht. Deinen geschätzten H. Gemahl der jetzt wie ich sehe ein großer Geschäftsmann geworden ist lasse ich schönstens grüssen und küssen und gebleibe bis zu meinen nächten Schreiben
Dein
Dich liebender Valentin.
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