Wien am 24. Jully 1828.
Nun endlich habe ich doch heute einen Brief nach einem so langen Stillschweigen erhalten, faßt hätte ich gedacht Du hättest ganz auf Deinen Brudern vergessen, unmöglich wirst Du so sehr
beschäftigt gewesen sein um mir nicht einige Zeilen schreiben zu können. Um Dir zu beweisen, daß ich auch fleißig in der Corespondenz sein kann, will ich Dir allsogleich Dein Schreiben beantworten. Vor allen aber will ich Dir, da ich es versprach, ganz flüchtig den Beschluß meiner Presburger Reise mittheilen. Ein geborener Presburger mit den ich zufällig die Bekanntschaft auf den Schieffe machte, hatte die Gefälligkeit uns die vorzuglichsten Merkwürdigkeiten der Stadt zu zeigen. Wir verwendeten den Vormittag am Sontag um die Stadt zu besichtigen, welche bedeutend größer als Laibach ist,
und hübsche Häuser, reguläre Gassen und Plätze hat, doch von keinen Prachtgebäuden ist nichts Vorhanden. Besuchen sodann das Theater und Redouten Gebaude, beide sind nicht groß, doch in ihren Innern sehr zierlich und geschmakvoll eingerichtet. Sodann gingen wir auf den Königsberg der knab an der Donau liegt und eine prachtvolle Altan419 von gehauenen Stein formirt, auf welchen der König nach vollenderter Krönung420 den Schlag mit den Schwerte nach den 4 Weldgegenden421 macht. Von da aus pasirten wir die schöne Schifbrücke (mit welcher unser Kaiser bei der letzten Krönung ein Geschenk den Presburgern machte) und kammen in die Aue, einer der besuchtesten Spaziergänge; es befindete sich alda ein äußerst elegantes Caffeehaus, Hutschen422 aller Art, Ringelspiel kurz man glaubt sich im Prater in Wien angenehme Schattengänge führen einen von einer Anlage zur andern. Doch die Zeit war zu kurz um uns lange hier aufhalten zu können, wir kehrten daher in die Stadt zurück und bestigen den Schlosberg, der ganz mit Häusern bebaut ist, in welchen sich aber faßt durchgehends lauter Freimädchen befinden. //2
Wären[d] man hinauf geht sieht man einige davon an den Fenstern laurend, andere an den Thüren stehend und ma[n]che in den Gässend spazirend, worunter bei ma[n]chen die Freheit so feit423 ging, daß sie uns ansprachen mit ihnen ins Quartir zu gehen. Du kannst Dir vorstellen wie verächtlich mir die Frauenzimmer vorkammen, doch einige die hübsch darunter waren dauerten mich, ich kann es nicht begreifen, wie ein Mensch mit Vernunft begabt sich so weit zum Thier herab würdigen kann. So ma[n]cher unerfahrener Jüngling hier in die Falle gekommen, und hat auf Zeitlebens seine Gesundheit zerrüttet. Endlich gelangten wir auf die Anhöhe, auf welcher sich eine große, doch schon zum Theil verfallene Burg befindet, die Aussicht die sich dem Auge darbitte ist überraschent, und lohnet für den fatalen Aufgang. Presburg sahen wir in seiner ganzen Größe vor unser liegen, so weit als das Auge reicht erstrekt sich sündwestlich die Ebene von Ungaren, welche die reisende Donau
in vielfachen Armen bewässert, nördlich erblickten wir mit einen Fernrohr das schöne Wien, östlich zeugen sich die anmutigsten Weingebürge424 an welche sich endlich das Karpaten Gebürge reihet.
Dies alles macht es zu einer herlichen Landschaft, ich muß Dir gestehen daß dies daher die schönste Gegend ist die ich je gesehen habe, und von welcher man sich wirklich keine Vorstellung machen kann. Gern hätte ich alldort den ganzen Tag verweilt doch wir mußten in die Messe eilen. Die Krichen sind nicht ausgezeichnet ausgenommen[;] der Dommkirche, alwo die Krönungen vor sich gehen, die sehr reich mit Marmor bekleidet ist. Wir besuchten sodann die Promenade alwo sich eben die Regimendsbande produzirt, und sahen auch zugleich die elegante Welt von Presburg, die ich eben nicht am schönsten fand. Es war 1 Uhr und wir gingen daher zu Tische. Speisen kann man aldort sehr wohlfeil, besonders ist das ein guter Ort für Weinliebhaber. Des Nachmittages besahen wir das Schistadt425 Gebäude, das ganz neu und noch schöner gebaut ist als das Laibacher. Von da aus gingen wir in die Weingebürge zu den Patzen Häuseln gennant, wo es recht lustig und mu[n]ter zu geht. Es sind 4 schöne Landhäuser im einen herrlichen //3 Thal gelegen, wo man alle mögliche Erfrischungen bekömmt, und die Einwoner von halb Presburg sich alda ergetzen.426 Von da aus kammen wir auf die Neue Welt, einen großen Gasthaus wo eben Tanzmusig war. So wanderten wir vergnügt von einen Weinhügel zum andern und kammen spät am Abend erst in die Stadt. Des andern Tags besuchten wir den Kalvari Berg, dan das Eisbründel 1 ½ Stunde von Presburg entfer[n]t wo wir früstigten und bestigen sodann den Gemsenberg, der sehr hoch und steil ist, aber auch noch eine weit angenemere Aussicht darbittet als jene von Schlosberg. Am Nachmittag besahen wir den schönen, weitläufigen Park des Fürst Salfi, der nun zwar schon etwas verwarlost ist. Hingegen ist jener des Primas mit desto mehr Fleiß kultivirt, und zeigt von der größten Pracht. Weiters ist in Presburg nichts zu sehen, nur muß ich Dir schlüßlich noch bemerken, daß es aldort sehr frei und ausgelassen zu gehet; Du wirst Dir eine Vorstellung schon aus dem machen können, wenn ich Dir sage, das als ich des Abends zu Bette gehen wollte, der Lohnbediente zu mir kamen, und sich zu erkundigen, ob ich kein hübsches Mädchen für die heutige Nacht bedürfte. Du kannst Dir denken wie sehr mich ein solcher Antrag
empören mußte, daß ich voll Unwillen den ungebettenen Gast hinausschafte, und dennoch machte er mir den 2ten Abend den nähmlichen Antrag.
Auf der Rückreise mit den Eilwagen hatten wir viel vor den Staub auszustehen, den wir fuhren in einer beständigen Staubwolke, gut war es, daß es nicht länger als 6 Stunden dauerte.
Nun hast Du meine ärbermliche Reisebeschreibung, und jetz zu was andern.
Angenehm ist es mir zu hören, daß Dir Deine neue Logi gut gefällt und nach Wunsch hergestellt wurde. Kann ich zu Deiner schönen Moblierung noch von hier aus mit was beitragen, oder Dir sonst in was dienen so bitte ich zu befehlen, den Du würdest es nicht glauben mit welchen Vergnügen ich alle Deine Comisionen erfühle.
Das Dein schätzbarer H. Gemahl so galant war, auch in Kaltenbrun durch das Baadezimmer Dir eine Überraschung zu veranstalten, ist sehr scharmant von ihn gewesen, und zeigt von seiner großen Liebe zu Dir.
Der Allmächtige möge es gewähren, daß das Baad von guten Erfolg für Dich sein möge! //4 Lieber Engel, daß Du sagst, Du würdest glücklicher sein sobald ich bei Dir wäre, muß ich in etwas als eine Schmeichelei ansehen. Vor Verlauf eines Jahres wird mir das Glück zu theil in Deine Arme zu eilen, und sodan niemehr auf so lange Zeit Dich zu verlassen. Glaube mir sicherlich, daß mir die
Entfernung von Euch Ihr Lieben, hart un schwer genug ankömmt. Schlüsslich erwänst Du in Deinen Brief, daß Du niemanden in der Welt das sagen kannst, was Du mir sagen wolltest, dies kömmt mir auffallend vor, und ich bitte um Aufklärung, da ich nicht weiß was Du dadurch ve[r]stehen magst.
Willst Du etwa nicht einen Brief anvertrauen was Du mir mündlich sagen würdest. Lasse mich in keiner Ungewiesheit.
Da sich diesmahl die Fr. Quenzler427 hier befand, so gaben ich und der Graf uns Mühe so viel möglich sie zu unterhalten, und ihr die Merkwürdigkeiten Wiens zu zeigen, wo ich selbst so ma[n] ches sah, was ich früher noch nicht besichtigt habe, als: die Kaiserlichen Zimmer, die Gemählde Gallerie im Belveder, die K. K. SchatzKammer. Auch war ich mit ihr die Accademie im Karnerthor Theater die berümte Pedalharfen Spieler[inn] M. Bertrand428 anhören gegangen, desgleichen machte ich Gesellschaft halber die Landpartie nach Baaden mit ihnen am Sonntag, wo wir sodann ins Helenethall429 fuhren bis zu den Krainer Hütten, alle Baadehäuser und die Promenad ansahen, im Sauerhoff430 speisten, und Nachmitag nach Laxenburg fuhren, wo wir alle wieder ansahen, was mich freilich nicht mehr intresirte, da ich es schon dreimahl besichtigte. Kaum mochten wir eine halbe Stunde von Laxenburg gegen Wien gefahren sein, so erhob sich ein so für[ch]terlicher Wind wie ich ihn in meinen Leben nicht sahe. Unmöglich kannst Du Dir das gräsliche Brausen und Feifen des Sturmwindes zwischen den großen Bäumen vorstellen. Die Bäume brach es zur Hähfe431 ab, ma[n]che wurden ganz ausgewu[r]zelt, und uns mit schwerer Mühe und großer Gefahr kammen wir endlich in die Stadt, wo es auch nicht viel besser aussah. Leichte Wägen wurden alle umgeworfen, am besten wird Dir die Quenzler davon sagen können. Auch habe ich nun schon zum zweitenmahl den merkwürdigen Bregitter Kirchtag432 gesehen. Dir wird es lange werden, meinen hergeschmirten Wiegel durchzulesen, aber ich weiß Du besitzst viel Geduld. Sobald ich an Dich schreibe so kann ich unmöglich früher aufhörn solange ich ein lehres Papier sehe.
Bleibe recht gesund und vergnügt. Dein
unwandelbar threuer Bruder
Valentin
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