Wien am 28t August 1828.

 Innigstgeliebte, theure Frau Schwester!

 Deine schätzbaren Briefe von 17. und 22. dieses habe ich mit veieler Freude empfangen. Ich hatte mir eingebildet, daß die unbedeutende Erwänung der Sittenlosigkeit Presburgs bei Dir Staunen und Verwunderung erregen würde, wie ich es auch wirklich in Deinen vorletzten Schreiben fand. Doch drücktest Dich in den selben aus, als wolltest Du es glauben u hoffen, daß ich noch immer so gut

sei als ehmals. Wäre es möglich, daß Du den mindesten Zweifel an meiner Unverdorbenheit fügtest? Für wa[h]r Du solltest mich schon besser kennen, und denken, der Valentin wird allen Versuchungen wiederstehen und in kein Laster einwilligen. Ich versichre Dich, liebe Josephine, daß die Beispiele und Handlungen der Wohllüstling auf mich keinen Eindruck machen, daß ich noch eben so unverdorben bin, als ich das väterliche Haus verlassen habe. Mainen innigsten Dank für Deine wohlmeinenden, liebreichen Lehren und Mah[n]ungen, ich habe sie tief beherzigt und will sie nie vergessen.

Mich freute es zu vernehmen, daß Ihr Eure Mühlen, um einen so bedeutend höhern Pachtschilling angebracht habt.

Mit großen Vergnügen, werde ich Deine kleinen, wenigen Comisionen aufs pünklichste besorgen, und es der Küste des H. Vatern beipacken.

Es wird mir angenehm sein Haupt. v Zergollern hier zu sehen, ich habe ihm 2mahl geschrieben, jedoch keine Antwort darauf erhalten.

Vor einigen Tagen begegnete ich den Baron Schmiedburg434 sammt Familie, wie auch H.

Gramatzki435 samt Frau.

Vorigen Sontag habe ich H. Terpinz besucht, und brachte 3 angenehme Stunden in seiner Gesellschaft zu, er ist ein sehr scharmanter Mann und gefällt mir recht gut, heuer wird er seine Studien vollenden und Euch warscheinlich aufs Jahr //2 besuchen, indessen folget eine Empfehlung an Euch.

Du wünscht zu erfahren mit wem ich umgehe, darüber kann ich Dir nichts anders sagen, als daß ich mit vielen hier bekannt bin, doch mit keinen einen nähern Umgang pflege, so wie ich auch keineswegs ein intimer Freund zum Grafen bin, und nur ma[n]chmahl mit ihm zusammen komme, besonders als Fr. Quenzler hier war.

Ich freue mich schon kindisch auf meine beforstehende Reise und werde selbe bis Brünn und Olmütz warscheinlich in Gesellschaft des jungen Haberlein machen. Ich habe mir ein sehr zwekmässiges Reise-Taschenbuch sammt Postkarte von Deuts[ch]land gekauft, welches mir auf

meinen zu machenden Reisen sehr gute Dinste leisten wird, trachte nur den Vatern zu bereden, daß er mir bis ins Frühjahr einen Gubernial-Reisepaas verschaft.

Sehr leid und unangenehm ist es mir, daß ich Dich nicht vor meiner Abreise hier sehen werde, und daß Du nichts von den Lustlager brofitirn willst, das doch gewieß recht schön sein wird. Ich werde es öfter besuchen obwohl es gute 2 Stunden von Wien entfer[n]t ist, weil ich ein großer Freund von den Militarischen Exerzicien bin. Ich bin gesonnen den 12t 7ber aus der Condition zu tretten um sodann 8 oder 10 Tage frei für mich zu haben, um einiges was ich bis jetzt noch nicht Zeit hatte zu besichtigen, anzusehen, und auch öfter ins Lager gehen zu können, jedoch behalte ich das Zimmer biem H.

Lobmayr.436 Den 24. 7ber werde ich warscheinlich von hier fort gehen.

Grüße mir schönstens alle Bekannten, wie auch Deinen werthen H. Gemahl den ich 1000 mahl küssen lasse. Er wird sich nun wieder recht angenehm mit der Jagd unterhalten, ich wünsche ihn dieses Jahr recht viel Wield zu erlegen.

Lebe wohl, libe gute Schwester, und schreibe mir recht bald wieder. Nicht war Du wirst mich nicht lange auf eine Antwort warten lassen und in kürze mit einigen Zeilen erfreuen

Deinen

Dich unenelich liebenden Bruder

Valentin

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