Wien am 16. Jänner 1828.

um 9 Uhr Abends.

Vor allen bitte ich Dich um Entschuldigung, daß ich erst mit heutigen Posttag Dein schätzbares Schreiben von 27. Dezember beantworte, in welchen Du die Gütte hattest mir so viele interesanten Neuigkeiten von Laibach mitzutheilen, wofür ich Dir meinen innigsten Dank sage, besonders für die Letzte worin Du mir Deine zu machende Wienerreise mältest.330 Unmöglich bin ich Dir im Stande zu schildern mit welcher Freude und Sehnsucht ich der Zeit entgegen sehe, wo ich Dich mein Bester und die liebe Schwester hier werde umarmen können, wie auch den geschätzten H.

Urbanschitz zu begrüssen. Ich bin ganz Deiner Meinung die Reise hieher gegen Ende May zu machen, den im Frühjahr ist das Reisen doppelt so angenehm als sonst; auch ist in diesen Monath Wien am lebhaftesten und Ihr kömmt da gerade auch recht zum Fronleichnahmsfest,331 welches in Wien der merkwürdigste Tag im ganzen Jahr ist. Es ist daher nur mein einziger Wunsch, daß Du fest bey Deinem gemachten Entschluß verbleiben möchtest, um geweiß die Wiener-Reise zu machen.

Den 12te künftigen Monathes wird es hier ma[n]ches zu sehen geben. In aller frühe wird man 300 Kanonenschüsse lösen, des Abends werden Freitheater gegeben und die Stadt sammt allen Vorstädten wird ganz beleuchtet werden. Dies geschieht wegen dem Geburtstag des Kaisers und weil er zugleich auch 60 Jahre alt wird und sein 30stes Regirungsjahr antritt.

Bis nun hatte man in Wien sehr kalt und ziemlich viel Schnee, den man zwahr Tag und Nacht in einen fort aus der Stadt führte; drotz dem wurde doch viel Schlitten gefahren, und ich habe einige besonders elegante Schlitten gesehen, und erinnerte mich dabei mit Vergnügen des vergangenen Winters der sovielen angenehmen Stunden die Du mir durch das Schlittenfahren mit den Harmelin gewärtest.

Ich gehe faßt alle Sontage ins Theater. Neulich sah ich auch das Stück der Bauer als Milioner

im Leopoldstädtertheater, welches mir nicht am besten gefallen hat, jedoch bei den Wienern einen solchen Beifal fand, das es im Jahr ‘827 97 mahl gegeben wurde. Vorzüglich schöne italienische Opern werden jetzt im Kärnerthortheater gegeben, die berümtesten Sänger aus Italien kan man in denselben hören. Für einen Abend kostet eine Loge 20 bis 30 ƒ C.M. Mich Deiner fernern Freundschaft und Liebe anempfehlen gebleibe mit Achtung.

ValZeschko

 //2                                                                              Mein geliebter Schwester!

 

Mit Vergnügen will ich Dir alle Deine Fragen Punkt für Punkt beantworten, die ich Dir auf Dein letztes Schreiben von 3. Jänner Dir schuldig bin.

Das ich noch ein halbes Jahr in Wien zu bleiben gedenke wirst Du aus meinen letzten Brief an die Altern entnommen haben, denn warum sollte ich Wien so schnell verlassen wo ich so viel Merkwürdiges sehe und sich mir so angenehme Unterhaltungen darbieten, vorzüglich da ich das

Glück hatte in ein so gutes Haus zu kommen, inwelchen man mich nicht als Diener sondern als einen werthen Freund behandelt und wo ich Gelegenheit habe so vieles zu provetiren in Hinsicht der feinen Artikeln, da wir beständig die schönsten, prächtigsten Waaren erhalten.

Die Handlungsschulle werde ich noch durch 3 Monath hindurch besuchen. In derselben wird vorgetragen die einfache und doppelte kaufmännische Buchführung, das Wechselrecht und die Rechenkunst, sowohl der Berechnungen der in als auch ausländischen Handelsplätze.

Ich komme öfter mit den Studierenden Herrn aus Laibach zusammen, doch habe ich außer den Dolnitscher und Bartol keinen zu meinen nähern Umgang ausgewählt. Da ich an den Sohn des Goldarbeiter Graf333 kein tadelhaftes Betragen fand, so habe ich auch seine Bekantschaft nicht aufgegeben. Auch bin ich mehrmahl in Gesellschaft des Bernpacherischen334 aus Laibach und dem Sohne der Fr. Haberlein.335 Indessen habe ich keinen von allen zu meinen wa[h]ren Freund so wie ich auch in Laibach niemanden außer Deinen werthen H. Gemahl hatte.

Den H. Goll besuche ich nicht oft weil er mir zu weit entfernt ist, hingegen komme ich desto öfter zur Fr. Haberlein, die 2 erwachsene und 3 kleinere Töchter hat. Die erstern sind ziemlich hübsch, doch finde ich ihren Umgang nicht besonders anziehent. Die schönere davon schei[n]t sehr religios zu sein, ist ganz einsilbig und man sagte mir sie wolle eine Klosterfrau werden. //3

Außer den H. Hauser der noch immer in Reindorf logirt besuche ich keine andere Familie, auch trachte ich nicht mir andere Bekanstschaften zu verschaffen, den die Einsamkeit steht bei mir noch immer in so großen Werth wie vormahls, den ich fühle mich am fröhlichsten wenn ich allein bin und mich in Gedanken mit Euch Ihr Lieben beschäftige. Was indessen den H. Oberdorfer anbetrieft so wünschte ich sehr vieles mir von ihm zuzueignen.

Ein Freund von meinen Colega der ein Kupferstecher ist, beredete mich mir Visitkarten stechen zu lassen, die hier algemein jederman hat, und da dieses nicht höher als auf 2 ƒ CM zu stehen kömmt, so habe auch ich mir eine solche Kupferplate stechen lassen und sende Dir zum Muster im Abdruck davon ein. Wenn Dein H. Gemahl wünschen sollte ein solches zu haben, so bitte ich mir es zu schreiben.

Vergangenen Sontag am 13te war ich auf einen Maskenball in k. k. großen Redouten Saal der zu Besten der Armen gegeben wurde, und wobei auch die Ausspielung von 100 Gewinsten inbegriefen war. Das Anträ ist gewönlich in der Redoute 4 ƒ w.w. Beim Eintritt gewärt der große von so vielen unzähligen Lichtern erleuchtete Saal einen imposanten wirklich maiestätischen Anblick. Auf einen Luster allein sind 85 Lichter. Die Musig ist herlich doch wird nichts getanzt, sondern nur auf und ab promenirt. Sowohl der große als auch kleine Saal war voll Meschen, so das man sich kaum fortbewegen konte. Auch war sehr vieles von Hoff zugegen gewesen.                                                          Ich wünsche Dir wie auch

Dein H. Fidelio sich diesen Faschenk angenehm und vergnügt zu unterhalten, doch sollst Du nicht zu viel tanzen um nicht krank zu werden, so[n]dern mir nachzuahmen suchen, den ich habe bis nun und werde auch in die Zukunft keinen Schritt tanzen. Die vorzüglichsten Bälle gedenke ich alle einmahl zu besuchen um einen Begrief zu haben, wie es in Wien im Carneval zu geht. Es küsset und umarmt Dich vielmahl in Gedanken schöne Josephine Dein Dich liebender Bruder

Valentin

Meine Empfehlungen an die Bekanten.

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